MTC Marine Training Center Hamburg GmbH
Axel Tiedemann berichtet im Hamburger Abendblatt über das Hamburger Marine Training Center.
SEEFAHRT: NEUES SIMULATIONS-ZENTRUM IN EIDELSTEDT
Einmal Kapitän sein …
Das Abendblatt testete den Simulator, der als größter Europas gilt
– und ging auf „große%nbsp;Fahrt“ nach Singapur.Dass der weltweit modernste Schiffs-Simulator brillante Bilder erzeugen kann, war zu erwarten. Doch das hier überrascht: Dumpf scheint die Maschine zu vibrieren, die See vor dem Hafen von Singapur ist aufgewühlt. Alles schwankt. Der Horizont bewegt sich derart heftig, dass man sich als Test-Rudergänger unwillkürlich am kleinen Steuerrad festhält und mit den Beinen den Seegang auszugleichen versucht. Rund herum schäumt die See, dem Auge wird kein Ausstieg aus dem Szenario gegönnt. „Das mit dem Schwanken passiert mir jedes Mal auch“, sagt Kapitän Michael Henatsch und übernimmt netterweise das Ruder, um den simulierten Schlepper wieder auf Kurs zu bringen. Bis 2002 war der heute 62-Jährige Kapitän auf großer Fahrt. Jetzt ist er einer der Instruktoren im MTC, dem neuen „Marine Training Center“ an der Schnackenburgallee in Eidelstedt.
Für 6,5 Millionen Euro hat ein Konsortium aus elf Gesellschaftern dort ein Simulations-Zentrum aufgebaut, das als das größte Europas gilt. Beteiligt an dem Projekt sind unter anderem drei Reedereien, Lotsen, und ein Schiffsmaschinen-Hersteller.
Noch ziehen im MTC Handwerker die letzten Kabel ein, die offizielle Eröffnung ist erst am 27. Februar geplant. Doch schon seit gestern finden erste Kurse im Maschinen-Simulator statt. „Die Nachfrage nach qualifiziertem Personal ist eben noch enorm groß“, sagt MTC-Geschäftsführer Kapitän Heinz Kuhlmann. Ein Drittel aller Kurse sei bereits gebucht, bis zu 70 Teilnehmer täglich aus der Seefahrtbranche werden sich in Eidelstedt künftig weiterbilden. Und: Am Wochenende können dort auch Laien einmal zum Kapitän werden. Zwischen 300 und 600 Euro werden diese Seminare kosten.
Auch Stress-Training für Manager aus anderen Branchen findet sich im Kursprogramm. „Mal etwas anderes, als wenn Führungskräfte im Wald gemeinsam Holz hacken“, so Kuhlmann.
Im MTC gibt es für die ganze Palette mehrere Simulatoren, die sich miteinander zum Großteil auch verknüpfen lassen: So kann beispielsweise ein plötzlicher Maschinenausfall für Nautiker und Schiffsingenieure parallel für schöne Hektik sorgen. Wie in der Realität kommt es dann auf perfektes Zusammenspiel zwischen Brücke und Maschine an. Zudem gibt es eigene Simulator-Räume für die komplizierte Beladung von Tankschiffen, für die Funk- und Radarausbildung oder auch für Reparatur und Wartung riesiger elektrischer Schaltanlagen.
Herzstück der nautischen Weiterbildung sind jedoch die insgesamt sechs Brücken-Simulatoren. Mit dem großen 360-Grad-Panorama-Simulator lassen sich die etwas kleineren Steuerstände verbinden. Wie in einem gigantischen Computerspiel fahren dann alle Teilnehmer in derselben simulierten Szene. Schlepper bugsieren beispielsweise große Frachter an den Kai. Selbst Rettungssituationen mit einem Hubschrauber lassen sich trainieren.
Die Rechenleistung ist dabei enorm: Allein für ein einzelnes Schiff verarbeiten die Computer bis zu 2400 Variablen rund zehnmal in einer Sekunde. PS-Stärke des Motors, die Art der Ruderanlage oder auch die Rumpfform gehören dazu. Hinzu kommen unzählige andere äußere Einflüsse wie Wind, Seegang und der Schwell anderer Schiffe.
Oder auch Schnee – selbst in Singapur: jedenfalls beim zweiten Part der Abendblatt-Testfahrt. Diesmal mit einem großen Containerschiff. Wieder lassen die Bass-Lautsprecher den Boden vibrieren, als würde eine 40 000-PS-Maschine tatsächlich unter uns arbeiten. Langsam gleitet das 290 Meter lange Schiff auf die Container-Kais zu. Alles ganz locker. Zunächst.
Doch selbst bei „Maschine Stopp“ schiebt sich der Dampfer immer weiter. Plötzlich knattert links ein Hubschrauber, von achtern rauscht eine Fähre heran. Vor uns ein weiteres Schiff. Dann der Schnee und auch noch geräuschvolles Gewitter, kaum Sicht – das volle Programm. Links, rechts, backbord, steuerbord. Wir liegen quer. Doch bevor es richtig knallt, schaltet der Instruktor ab, und das ganze Dilemma gefriert zum Standbild. Gott sei Dank.
20.01.2009